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Zivilrecht: Klagen mit einer Stufenklage

Die Stufenklage

In der zivilrechtlichen Prozessführung beziffert man als Rechtsanwalt die Forderung zumeist bereits im ersten Schriftsatz, also in der Klage. Insbesondere in Leistungsklagen ist es zwingend, dass der geforderte Geldbetrag ziffernmäßig angegeben wird. Es kann daher nicht auf ein unbestimmtes „angemessenes Schmerzengeld“, einen „angemessenen Lohn“ oder einen „angemessenen Darlehensbetrag“ geklagt werden (Anm.: Eine Ausnahme gibt es jedoch bei sozialrechtlichen Klagen iSd § 82 Abs 2 ASGG).

Dieser Vorgang ist für den Verfasser der Klagsschrift oft mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden; ein Rechenfehler oder eine zu hohe bzw. zu niedrige Berechnung kann unter Umständen weitreichende (Kosten-)Folgen haben.

Glücklicherweise selten ist jedoch, dass sich jene Urkunden bzw. Dokumente, die man als Kläger bzw. klägerischer Rechtsanwalt zur Berechnung der Forderungshöhe benötigt, beim Prozessgegner befinden. Ohne diese Grundlage ist die konkrete Bezifferung des Klagebegehrens aber unmöglich.

Der Gesetzgeber hat auch für diese Fälle eine Lösung parat: die Stufenklage bzw. Manifestationsklage nach § 42 EGZPO:

„Wer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes ein Vermögen oder Schulden anzugeben verpflichtet ist, oder wer von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermuthlich Kenntnis hat, kann mittels Urtheiles dazu verhalten werden, allenfalls unter Vorlage eines Verzeichnisses des Vermögens oder der Schulden anzugeben, was ihm von diesem Vermögen, von den Schulden oder von der Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens bekannt ist, und einen Eid dahin zu leisten, dass seine Angaben richtig und vollständig sind.

Zur Klage ist befugt, wer ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens oder des Schuldenstandes hat.

Wenn mit der Klage auf eidliche Angabe des Vermögens die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, welche der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die eidliche Angabe über das Vermögen gemacht ist.“

Mit diesem Griff in die rechtsanwaltliche Trickkiste können also Forderungen gerichtlich geltend gemacht werden, deren Höhe dem Kläger (vorerst) nicht bekannt ist, weil sich die Berechnungsunterlagen beim Beklagten befinden. Es ist sohin ein zweistufiges Klagebegehren:

1.         Die beklagte Partei ist binnen 14 Tage bei sonstiger Exekution schuldig, der klagenden Partei über den gegenständlichen Vertrag für die gesamte Vertragslaufzeit Rechnung zu legen.

2.         Die beklagte Partei ist weiters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution schuldig, der klagenden Partei den sich aufgrund der Rechnungslegung ergebenden Summe in voller Höhe zu bezahlen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur gemäß Punkt 1. des Urteilsspruches erfolgten Rechnungslegung vorbehalten bleibt.

Zuerst entscheidet das Gericht über das Manifestationsbegehren in Punkt 1.; wird diesem stattgegeben, muss die beklagte Partei die relevanten Unterlagen herausgeben und erst dann ist der Kläger verpflichtet, das Zahlungsbegehren inhaltlich exakt zu beziffern.

Als Prozessanwalt bringe ich die Stufenklage also dann ein, wenn die Gegenseite trotz außergerichtlicher Aufforderung die Unterlagen nicht übermittelt bzw. nicht offenlegt. Sonst hätte es die Gegenseite schließlich in der Hand: Übermittelt sie keine Unterlagen, könnte sie auch nicht geklagt werden.

Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt in Wels für Zivilrecht und Prozessführung

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