Viele Rechtsstreitigkeiten können vom Beklagten dadurch gewonnen werden, in dem im Zivilprozess hervorkommt, dass zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei gar kein Vertragsverhältnis besteht.
Der Vertrag ist ein zweiseitiges bzw. mehrseitiges Rechtsgeschäft, zu dessen Zustandekommen die Übereinstimmung des erklärten Willens zweier (oder mehrerer) Parteien erforderlich ist.
Voraussetzungen für einen gültigen Vertragsschluss sind also zwei korrespondierende Willenserklärungen: Angebot und Annahme. Die Willenserklärung derjenigen Person, von der die Initiative zum Vertragsschluss ausgeht, nennt man bei Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen „Angebot“. Die zustimmende Willenserklärung bzw. Willensbetätigung des Erklärungsempfängers wird als „Annahme“ bezeichnet.
1. Das Angebot
Ein gültiges Angebot im Rechtssinne liegt nur dann vor, wenn diesem eine ausdrückliche oder konkludente Willenserklärung zu Grunde liegt. Eine Willenserklärung ist wiederum eine Willensäußerung, die von einem Rechtsfolgewillen getragen wird und einen Kundgabezweck verfolgt.
Des Weiteren muss das Angebot inhaltlich ausreichend bestimmt sein und müssen die wesentlichen Vertragspunkte – die essentialia negotii – enthalten sein. Die wesentlichen inhaltlichen Punkte eines Vertrages variieren je nach Vertragstypus (z.B. Ware gegen Geld = Kaufvertrag; Benutzung gegen Geld = Miete). Damit nach den Vorschriften des ABGB durch Parteieneinigung der avisierte Vertrag zustande kommen kann, müssen die essentialia negotii iSd § 869 ABGB ausreichend inhaltlich bestimmt sein.
Zudem muss der Erklärende einen Bindungswillen aufweisen. Dieser liegt vor, wenn der Erklärende dem Adressaten das Recht einräumen will, durch ein „Ja“ den Vertrag zu perfektionieren.
Da es sich bei einem Angebot um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, wird es erst mit dem rechtzeitigen Zugang beim Empfänger wirksam. Nach der Empfangstheorie ist eine Erklärung jedenfalls als zugegangen zu werten, wenn sie der Empfänger tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Eine tatsächliche Kenntnisnahme ist jedoch nicht von Nöten, da der Zugang auch schon vorher gegeben ist, wenn die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, sodass sich dieser unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis verschaffen kann und Störungen nur mehr in seiner Sphäre möglich sind. Somit genügt die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger.
Ein einseitiger grundloser Widerruf ist grundsätzlich bis zu jenem Zeitpunkt möglich, in dem der Erklärungsempfänger diese tatsächlich zur Kenntnis nimmt.
2. Annahme
Die Annahme (die „wahre Einwilligung“, § 869 ABGB) fordert, dass die Einwilligung in einen Vertrag frei, ernstlich, bestimmt und verständlich sein muss.
Eine gültige Annahme des Angebots kann wiederum einerseits durch Willenserklärung gem § 863 ABGB oder andererseits durch Willensbetätigung gem § 864 ABGB erfolgen.
Eine Annahme durch Willensbetätigung ist allerdings nur (!) dann möglich, wenn eine Annahme durch Willenserklärung entweder nach der Natur des Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Offerent auf eine Annahme durch Willenserklärung verzichtet hat. In der Definition unterscheidet sich die Willensbetätigung von der Willenserklärung durch das Fehlen der Kundgabe; die Willensbetätigung verfolgt nämlich nicht den Zweck, einem anderen Rechtssubjekt etwas zur Kenntnis zu bringen, sondern handelt es sich dabei um einen bloßen Vollzugsakt.
Damit eine Annahme durch Willenserklärung vorliegt braucht es also entweder eine ausdrückliche oder eine stillschweigende Willenserklärung. Von einer ausdrücklichen Willenserklärung ist die Rede, wenn die Annahme durch geschriebene oder gesprochene Worte beispielsweise „Ja, ich nehme die Sache an“, oder durch allgemein angenommene Zeichen erfolgt. Eine konkludente bzw stillschweigende Erklärung liegt dann vor, wenn deren Erklärungswert sich nur aus den Begleitumständen, unter denen die Erklärung abgegeben wurde, eruieren lässt. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte und nach den üblichen Gewohnheiten als eindeutig zu verstehen eingestuft werden muss.
Der Zugang der Willenserklärung erfolgt in gleicher Weise wie der des Angebotes.
Die Annahme durch Willenserklärung muss innerhalb einer bestimmten zeitlichen Geltungsdauer zugehen. Gem § 862 ABGB ist die vom Antragssteller gesetzte Frist von der gesetzlichen Frist zu unterscheiden. Ersteres setzt voraus, dass das Angebot innerhalb dieser Frist angenommen werden muss. Die gesetzliche Fristenregelung nimmt eine Differenzierung zwischen dem Angebot unter Anwesenden und dem Angebot unter Abwesenden vor. Im Unterscheid zum Angebot unter Abwesenden muss beim Angebot unter Anwesenden das Angebot sogleich zugehen.
Auch eine Annahmeerklärung kann bis zur tatsächlichen Kenntnisnahme durch den jeweiligen Erklärungsempfänger vom Erklärenden jederzeit einseitig und grundlos widerrufen werden.
Was bei Rechtsgeschäften unter Anwesenden oft keine wesentlichen Fragen aufwirft, gestaltet sich bei Fernabsatzgeschäften die über das Internet abgeschlossen werden oder bei Vertragsverhandlungen über Internetplattformen wie „Willhaben“ oder „Ebay“ oft komplexer.
Die Abgrenzung zwischen den vorgeschalteten Vertragsverhandlungen und dem tatsächlichen Vertragsabschluss gestaltet sich oft schwierig. Aber genau in diesen Schwierigkeiten liegt der juristische Reiz.
Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt in Wels für Zivilrecht und Prozessführung