Wird jemand im Rahmen einer Straftat am Körper verletzt, so kann das Verbrechensopfer vorerst im Wege der Privatbeteiligung (siehe auch mein Blogbeitrag über die Privatbeteiligung) Schadenersatzansprüche geltend machen.
Zumal im Rahmen der Privatbeteiligung vom Strafrichter jedoch nicht detailliert über jegliche Ansprüche (insb Schmerzengeld) und auch nicht über ein allfälliges Mitverschulden entschieden wird, folgt in der Regel die zivilrechtliche Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt; der Verletzte als Kläger bringt gegen den Verletzer als Beklagten eine Zivilklage ein.
Gemäß § 1295 Abs 1 ABGB ist jedermann berechtigt, vom Beschädiger den Ersatz jenes Schadens zu fordern, den ihm dieser rechtswidrig und schuldhaft zugefügt hat, wobei das Verhalten des Schädigers kausal für den Schadeneintritt sein muss. Im Falle einer Verletzung am Körper oder der Gesundheit hat der Verletzte gemäß § 1325 ABGB Anspruch auf angemessenes Schmerzengeld.
Im Falle der Provokation des Schädigers durch den Verletzten ist jedoch stets ein Mitverschulden des Verletzten gem § 1304 ABGB anzunehmen (RIS-Justiz RS0026839). Das Ausmaß des Mitverschuldens hängt zwar von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung darf jedoch der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Verschuldensteilung im Einzelfall nicht gesprengt werden.
So wurde vom Obersten Gerichtshof bei einer Provokation des Täters durch das Opfer mit einer Feile beispielsweise eine Verschuldensteilung 1:1 angenommen (vgl. OGH 4 Ob 143/09x), bei einer vorhergehenden Provokation durch Schlagen mit einem Lineal hingegen ein Mitverschulden auf der Basis 2:1 zulasten des Beklagten (OGH 7 Ob 261/72) und eine Verschuldensteilung 3 : 4 zulasten des Beklagten, der den Kläger schwer verletzte, nachdem ihn dieser zuvor in einem Handgemenge gestoßen hatte (vgl OGH 6 Ob 238/07d).
Eine drohende Gestikulation vor Körper und Gesicht des Beklagten vermag für sich genommen zwar nicht als rechtswidriger, notwehrfähiger Angriff gelten (anders wäre die Situation zu qualifizieren, hätte der Kläger mit einem als Waffe tauglichen Gegenstand „herumgefuchtelt“ oder den Beklagten am Körper berührt).
Auch aggressive Gesten können in Zusammenschau mit den sonstigen Sachverhaltselementen bei einer wertenden Gesamtbetrachtung des Geschehens jedoch als Provokation des Beklagten durch den verletzten Kläger qualifiziert werden.
In einem aktuellen Fall wurde ein Mitverschulden des Klägers, welcher die persönliche Konfrontation mit dem Beklagten herausforderte und vor diesem wild gestikulierte, wobei der Beklagte dem Kläger in der Folge einen einzigen Faustschlag versetzte, im Verhältnis 2:1 zulasten des Beklagten angenommen. Dies hatte zur Folge, dass der Kläger vom eingeklagten Geldbetrag nur ein Drittel zugesprochen bekam, was auch dementsprechende kostenrechtliche Auswirkungen hatte.
Zusammenfassend ist auch im Falle strafrechtlicher Verurteilung zivilrechtlich immer zu prüfen, ob dem Opfer ein Mitverschulden zu attestieren ist. Bejahendenfalls wäre die teils unberechtigte Schadenersatzforderung verhältnismäßig zu reduzieren.
Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt für Prozessführung in Wels
Nützliche Links:
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