Im Falle des Vorliegens eines dringenden Tatverdachtes kann die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf die Verhängung der Untersuchungshaft (U-Haft) stellen. Ein dringender Tatverdacht liegt dann vor, wenn – in Anbetracht der bisherigen Beweismittel – die Verdachtsmomente stärker sind als die entlastenden Umstände (vgl ua NRsp 1992/251).
Zusätzlich zum „dringenden Tatverdacht“ muss gem § 173 Abs 2 StPO ein Haftgrund vorliegen, der entweder in der (vermuteten) Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Tatbegehungs- oder Tatausführungsgefahr gesehen werden kann.
(Ein weiterer, jedoch in der Praxis selten vorkommender Haftgrund ist die obligatorische Untersuchungshaft: Bei schwerwiegenden Delikten mit einer Strafdrohung vom mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe ist die Verhängung der U-Haft obligatorisch, es sei denn, es können alle Haftgründe des § 173 Abs 2 StPO ausgeschlossen werden.)
Ebenfalls ist bei der Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Bedeutung der Sache und die zu erwartende Strafe zu prüfen. Die Untersuchungshaft hat zu unterbleiben, wenn mit gelinderen Mittel der gleiche Zweck erreicht werden kann (§ 173 Abs 1 StPO).
Zusammenfassend darf die Untersuchungshaft nur unter den folgenden Voraussetzungen verhängt werden:
- dringender Tatverdacht
- Haftgrund
- Verhältnismäßigkeit
Aber auch wenn all diese Voraussetzungen gegeben sind, kann – bei geordneten Lebensverhältnissen, inländischem Wohnsitz und Zustimmung des Inhaftierten – auf dessen Antrag die Untersuchungshaft als Hausarrest, also im Rahmen eines elektronisch überwachten Hausarrestes (kurz: EÜH oder „Fußfessel“) fortgesetzt werden (§ 173a StPO).
Dies stellt vor allem für meine berufstätigen Mandanten, welche ich im Rahmen des Strafprozesses vertrete, eine einzigartige Chance dar, den bestehenden Arbeitsplatz nicht zu verlieren, was selbstredend mit weitreichenden wirtschaftlichen und auch familiären Folgenin der ohnehin schon belastenden Situation verbunden wäre.
Je nach Delikt steht der mit der Untersuchungshaft oft zwingend verbunde Jobverlust unter Umständen in keinem angemessenen Verhältnis zur Tat selbst. Bei einem Vorgehen nach § 173a StPO kann der Inhaftierte hingegen zum Zwecke der Ausübung seiner Beschäftigung bzw. Ausbildung die Wohnung verlassen.
Auch kann es in spezialpräventiver Hinsicht ja nur im Interesse des Staates sein, einen sozial gut integrierten (potentiellen) Täter vor derartigen Folgen zu bewahren. Der Zweck der Strafe ist nämlich darin zu sehen, eine positive Wirkung für die Zukunft zu entfalten und eine Änderung des Täters einzuleiten bzw. zu bewirken, sodass er in Zukunft keine weiteren Straftaten mehr begeht. Gerade bei berufstätigen, in der Gesellschaft fest integrierten Personen ist die Aussicht auf künftiges Wohlverhalten eher anzunehmen als bei einem sozial nicht angepassten Täter (vgl Pallin, Strafzumessung Rz 54). Mit dem Arbeitsplatzverlust ist nämlich zumeist auch ein sozialer Abstieg verbunden, was den Täter wiederum in die Kriminalität „treiben“ kann. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.
In den letzten Wochen konnte ich für einen meiner Mandanten die Fortsetzung der Untersuchungshaft durch die Fußfessel erstreiten und ihn sohin insbesondere vor einem Verlust des Arbeitsplatzes bewahren. Von diesem – eher selten angewandten Mittel – sollte meines Erachtens viel öfter Gebrauch gemacht werden: Zum Wohle des (vermeintlichen) Täters, aber letztlich auch zum Wohle des Staates und auch der Gesellschaft.
Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt für Strafrecht
Nützliche Links:
https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1975/631/P173a/NOR40120416
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002135
https://www.oesterreich.gv.at/themen/dokumente_und_recht/strafrecht/7/2/Seite.2460305.html
https://www.anwaltfinden.at/rechtstipps/interviews/verhalten-in-untersuchungshaft-ablauf/