Allgemein

Von Ungerechtigkeiten in der Justiz

Strafverteidiger Wels

In der Samstagsausgabe der Salzburger Nachrichten, 25.06.2022, hat Rechtsanwaltskollege Dr. Stephan Kliemstein einen Missstand angesprochen, mit dem ich als Rechtsanwalt für Strafrecht beinahe täglich konfrontiert bin: der fehlende Kostenersatz im Strafrecht.

Bereits im Erstgespräch kläre ich meine Mandanten umfangreich über das jeweilige Kostenrisiko auf. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang die wesentlichen Unterschiede in den drei großen Rechtsmaterien Zivilrecht, Strafrecht und Verwaltungsrecht:

Zivilprozess:

Die Zivilprozessordnung (ZPO) sieht als einzige Verfahrensordnung grundsätzlich einen Kostenersatz vor.

Vorerst hat jede Partei die eigenen Prozesskosten selbst zu tragen (§ 40 Abs 1 ZPO). Als Prozesskosten versteht man sämtliche durch die Prozessführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten (§ 41 ZPO).

Im Fall des Obsiegens steht dem Prozessgewinner gegen den unterlegenen Gegner ein Anspruch gegen Kostenersatz zu. Die vollständig unterliegende Partei hat der vollständig obsiegenden Partei jegliche Prozesskosten zu ersetzen (§ 41 Abs 1 ZPO). Bei teilweisem Obsiegen bzw. Unterliegen werden die Kosten verhältnismäßig aufgeteilt (§ 43 Abs 1 ZPO).

Dem Kostenersatz im Zivilprozess liegt sohin – zumindest zum überwiegenden Teil – das Gebot der Fairness zugrunde. Wer den anderen unberechtigt in den Streit zieht, die Klage einbringt und am Ende des Rechtsstreites verliert, muss dem anderen seine Rechtsanwaltskosten ersetzen.

Verwaltungs(straf-)recht:

Im Verwaltungsrecht haben die Beteiligten die Kosten gänzlich selbst zu tragen (§ 74 Abs 1 AVG, Grundsatz der Kostenselbsttragung). Dies unabhängig davon, ob das Verfahren über einen Antrag oder von Amts wegen eingeleitet wurde (vgl ua VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0048) und unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Nur in wenigen Verwaltungsvorschriften ist eine Kostenersatzpflicht vorgesehen.

Dies bedeutet, dass auch in dem Fall, dass etwa eine falsche oder ungerechte Entscheidung der Behörde erfolgreich angefochten wird und die II.  oder III. Instanz den Bescheid wegen Mangelhaftigkeit aufhebt, die Anwaltskosten selbst bezahlt werden müssen. Dies gilt also auch dann, wenn die Erstbehörde etwa selbst einen Fehler gemacht hat.

Aus diesen Erwägungen muss man dem Mandanten oft schweren Herzens raten, diverse Ungerechtigkeiten einfach zu akzeptieren. Auch wenn man am Ende des Verfahrens Recht bekommen sollte, steht die Gerechtigkeit oft nicht im Verhältnis zu den eigenen Rechtsanwaltskosten, die man ja nicht ersetzt bekommt. Rechtsstaatlich meines Erachtens äußerst fragwürdig.

Strafprozess:

Während der verurteilte Täter im Falle eines Schuldspruches einen Pauschalkostenbeitrag (= Beitrag zu den Kosten des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft; § 381 Abs 1 StPO) zu leisten hat, erhält der Beschuldigte im Falle eines Freispruches nur einen sogenannten „Verteidigerkostenbeitrag“ von der Republik Österreich ersetzt.

Dieser Verteidigerkostenbeitrag beträgt der Höhe nach jedoch nur einen Bruchteil der tatsächlichen Anwaltskosten, sohin der unschuldige und freigesprochene Mandant ebenfalls im Strafrecht letztlich auf den Anwaltskosten „sitzen“ bleibt.

Wenn der Strafprozess bereits im Stadium des Ermittlungsverfahrens beendet wird, weil beispielsweise kein hinreichender Verdacht besteht und ein Einstellungsbeschluss erfolgt, gibt es nicht einmal den – ohnehin geringen – Verteidigerkostenbeitrag.

So kann etwa eine Tierschutzorganisation, eine rechte Gruppierung oder ein unliebsamer Politiker finanziell vernichtet werden. Durch die Anzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft beginnen die Ermittlungsarbeiten und muss sich der Beschuldigte gegen die im Raum stehenden Vorwürfe verteidigen. Sofern er sich bei der Verteidigung eines Rechtsanwalts als Beistand bedient, muss er teils ungeheure finanzielle Mittel investieren, welche auch in dem Fall, dass der Verdacht nicht haltbar ist, unwiderruflich verloren sind.

Sowohl im Strafprozess, als auch im Verwaltungs(-straf)recht können sich meine Mandanten oft nur kopfschüttelnd wundern. Wie kann es sein, dass man in einem westlichen Rechtsstaat Recht bekommt und dennoch durch die eigenen Rechtsanwaltskosten „bestraft“ wird?

Diese Frage stelle ich mir auch oft. Und ebenfalls mein Rechtsanwaltskollege Dr. Stephan Kliemstein, welcher die Problematik in dem von ihm verfassten Zeitungsartikel auf den Punkt bringt.

Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt in Wels für Zivilrecht und Strafrecht

Nützliche Links:

Salzburger Nachrichten 25.06.2022.pdf

https://epub.jku.at/obvulihs/download/pdf/5472242?originalFilename=true

https://www.oesterreich.gv.at/themen/dokumente_und_recht/zivilrecht/2/Seite.1010330.html#:~:text=Die%20im%20Rechtsstreit%20vollst%C3%A4ndig%20unterliegende,bestimmt%20das%20Gericht%20nach%20Ermessen.

Mag. Robert Rieger

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