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Strafrecht: Erschwerungsgründe bei der Strafbemessung

Rechtsanwalt für Strafrecht

Hat der Täter (nachweislich) eine Straftat verwirklicht, so liegt es am erkennenden Gericht, eine „gerechte“ tat- und schuldangemessene Strafe zu verhängen. Bei der Beantwortung der schwierigen Frage, welche Strafe in den Augen des Richters für die vorgeworfene Tat „gerecht“ ist, spielen oft viele (teils irrationale, nicht gänzlich nachvollziehbare) Faktoren eine Rolle.

Im Allgemeinen soll sich die Schwere der Strafe an der Schuld des Täters und dem Unrechtsgehalt der Tat orientieren (ein höheres Unrecht indiziert eine höhere Schuld); so ist der Unrechtsgehalt beim Raub nach § 142 StGB etwa höher als beim Diebstahl nach § 127 StGB, folglich die strafrechtliche Sanktion bei der Erfüllung des erstgenannten Delikts auch deutlich spürbarer ist.

In den Bestimmungen des § 33 StGB werden vom Gesetzgeber demonstrativ, also beispielhaft, besondere Erschwerungsumstände aufgezählt, welche sich im Zuge der konkreten Strafbemessung als straferhöhend auswirken (können):

Mehrere Straftaten (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB):

Wenn der Täter bereits mehrere gleichartige oder auch verschiedene strafbare Handlungen begangen hat oder eine strafbare Handlung durch längere Zeit hindurch fortgesetzt hat, so wirkt sich dieser Faktor (aus Tätersicht negativ) auf die Strafbemessung aus. Gleiches gilt sinngemäß für eine Straftat gegen mehrere Personen; so zum Beispiel bei einer gefährlichen Drohung gegen eine ganze Gruppe (vgl ua OLG Wien ZVR 1980/176). Straferschwerend kann sich auch die Schadenshöhe niederschlagen.

Rückfälligkeit (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB):

Erschwerend zu beurteilen sind auch die Umstände, wonach der Täter wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat bereits verurteilt worden ist oder wenn die Strafen der vorherigen Delikte bereits zum Teil vollzogen wurden, jedoch der Täter wieder im selben Ausmaß straffällig wurde. Zufolge der einschlägigen Rechtsprechung können auch nicht einschlägige Vorstrafen als erschwerend berücksichtigt werden. Keinen Erschwerungsgrund bilden jedoch Verurteilungen, die noch nicht rechtskräftig sind (vgl ua JBL 2005, 671). Begeht der Täter die Tat allerdings während der Probezeit (siehe § 43 StGB), gilt dies nicht als Erschwerungsgrund; hier sieht der Gesetzgeber die Optionen des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht oder eine Verlängerung der Probezeit vor.

Verführung eines anderen zur Tat (§ 33 Abs 1 Z 3 StGB):

Das Verführen eines anderen zur Tat wird insbesondere dann als moralisch verwerflich und daher besonders erschwerend angesehen, wenn über die reine Anstiftung hinausgegangen wird, beispielsweise durch Versprechungen oder sonstige Anreize.

Führende Rolle bei der Tat (§ 33 Abs 1 Z 4 StGB):

Wurde die Tat durch mehrere Mittäter gemeinsam ausgeführt, so hat der Anstifter, welcher in einer führenden Rolle beteiligt war, oder der in dominanterweise aufgetretene Urheber ebenfalls einen Erschwerungsgrund verwirklicht.

Rassistische Beweggründe (§ 33 Abs 1 Z 5 StGB):

Ebenfalls ein Handeln aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen, nach Meinung des Gerichts als besonders verwerflich anzusehenden, subjektiven Gründen kann einen Erschwerungsgrund darstellen. Ebenfalls die Bestimmung des § 283 Abs 1 Z 1 StGB wird derart interpretiert, wonach es als strafverschärfend angesehen wird, wenn der Täter die Tat aus einem bestimmten diskriminierenden Motiv heraus begeht. Dies hat zur Folge, dass das Austragen von nationalen Konflikten – entgegen der Ansicht mancher Täter – nicht als Milderungsgrund gewertet werden kann; umgekehrt ist die Ausländereigenschaft bzw. die Volkszugehörigkeit des Täters für die Strafbemessung unerheblich.

Heimtückische Begehungsvarianten (§ 33 Abs 1 Z 6, 7 und 8 StGB):

Dieser Erschwerungsgrund kommt zum Tragen, wenn die Tat überlegt und besonders rücksichtlos ausgeführt wurde. Auch das bewusste Ausnützen der Wehr- oder Hilflosigkeit des Opfers ist unter diesem Punkt als erschwerend zu berücksichtigen.

Gewalt oder Drohung gegen Unmündige (§ 33 Abs 2 StGB):

Begeht ein volljähriger Täter vorsätzlich eine strafbare Handlung unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung gegen eine unmündige Person, so wird dieser Umstand als besonders verwerflich und verpönt angesehen, was sich ebenfalls straferhöhend niederschlägt.

Erschwerungsgrund bei Delikten nach §§ 75 – 110 und 201 – 220 StGB (§ 33 Abs 3 StGB):

Für die Deliktsgruppen „Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben“, „Schwangerschaftsabbruch“, „strafbare Handlungen gegen die Freiheit“ und „strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung“ hat man einen besonderen Erschwerungsgrund geschaffen. Hier wird zum einen der Beziehungsstatus bzw. die persönliche Verbindung des Täters zum Opfer und zum anderen die Frage, ob die Tat psychische Schäden beim Opfer bewirkt, berücksichtigt. So wird in die Strafbemessung einbezogen, ob die Straftat gegenüber schutzbedürftigen Personen ausgeübt wird und der Täter diesen Umstand bewusst ausgenützt hat. Unter diese besonders geschützten Personengruppen fallen beispielsweise schwangere Frauen oder beeinträchtigte Menschen. Einen weiteren Erschwerungsgrund in diesem Zusammenhang bilden Taten, die mit besonderer Gewalt oder mit einer Waffe begangen wurden und denen daher ein großes Risiko auf das Leben des Opfers inhärent ist.

Alkoholisierung als Erschwerungsgrund:

Wie bereits einleitend erläutert, ist die Aufzählung von Erschwerungsgründen im Gesetz nur beispielhaft. Ein Erschwerungsgrund, der zwar nicht explizit genannt, vom Gericht in der Praxis aber oft herangezogen wird, ist das Begehen einer Tat unter Alkoholeinfluss. So ist derjenige, der beispielsweise einen Verkehrsunfall in einem erheblich stark alkoholisierten Zustand verursacht hat, mit einem höheren Strafmaß zu bestrafen.

Da ein Beschuldigter nicht verpflichtet ist, an seiner eigenen Tatüberführung mitzuwirken, kann das Erschweren der Strafverfolgung durch das Erfinden bzw. das Erdichten falscher Tatsachen jedoch keinen Erschwerungsgrund bedeuten. Dabei ist das Leugnen der Tat miteingeschlossen. Allerdings muss hierbei von der aktiven Beseitigung von Spuren differenziert werden. Dies kann sich nämlich durchaus als erschwerend auswirken, insbesondere in der Zusammenschau mit einer mangelnden Unrechtseinsicht oder einer Inakzeptanz der bestehenden Gesetzeslage, welche sich auf die mangelnde Integrationsbereitschaft in die inländische Rechts- und Unrechtsauffassung gründet. Im Gegenteil dazu gilt es nicht als erschwerend, wenn der Beschuldigte versucht darzulegen, dass bei richtiger Gesetzesauslegung sein Verhalten straflos wäre.

Zu beachten ist jedenfalls, dass grundsätzlich Umstände, die bereits vom Tatbestand erfasst wurden, nicht zusätzlich als erschwerend gewertet werden dürfen. Wird etwa dem Dealer als erschwerend angelastet, dass er ein besonders gefährliches Suchtgift, nämlich Heroin, verkauft hatte oder dem gewerbsmäßig handelnden Einbrecher die Gewinnsucht als straferhöhend ausgelegt wird, liegt ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vor. Das Urteil wäre mit einem Rechtsmangel behaftet und ist die gesetzwidrige Strafzumessung iSd § 281 Abs 1 Z 11 StPO anzufechten.

Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt für Strafrecht und Strafverteidiger in Wels

Nützliche Links:

https://www.diepresse.com/537226/hintergrund-erschwerungs-und-milderungsgruende

https://www.news.at/a/erschwerungs-milderungsgruende-wie-gerichtsurteil-261036

https://strafrecht.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/i_strafrecht/Reindl-Krauskopf/SRK/2020/VOAT_II_E_IV_23042020.pdf

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