Statistiken belegen den Anstieg der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden im Kontext mit dem Delikt der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB): Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist pro Jahr etwa 13.000 bis 14.000 bekannt gewordene Fälle nach § 107 StGB aus (vgl Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107).
Auch in der täglichen Anwaltspraxis bemerke ich – unter anderem durch die teilweise unüberlegte Nutzung von sozialen Medien bzw. Chatgruppen – eine Häufung derartiger Sachverhalte.
§ 107 (1) Wer einen anderen gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Wer eine gefährliche Drohung begeht, indem er mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, mit einer Brandstiftung, mit einer Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht oder den Bedrohten oder einen anderen, gegen den sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtet, durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Hinter der Wortfolge „um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen“ verbirgt sich folgender Grundgedanke: Der Täter muss mit der Absicht handeln, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, sohin ihn in einen die Gedanken beherrschenden, peinvollen und nachhaltigen Angstzustand zu versetzen (EvBl 1982/29). Die Rechtsprechung und die Lehre verstehen unter Furcht und Unruhe einen nachhaltigen, das ganze Gemüt ergreifenden, peinvollen Seelenzustand, ausgelöst durch massive Erwartungsangst vor dem herannahenden Übel wegen der Ungewissheit über das weitere Schicksal (vgl Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 § 107, RZ 7).
Was in der Formulierung sperrig klingt, ist in der anwaltlichen Verteidigung bei derartigen Delikten zumeist von großer Relevanz. Oft ist die Zunge schneller, „rutscht“ einem unüberlegt die Drohung heraus oder lässt man sich (insbesondere in Verbindung mit Alkoholkonsum) im Rahmen einer Gefühlserregung – etwa aus Zorn, Wut oder im Rahmen einer Trennung vom Partner – zu im Nachhinein folgenschweren Äußerungen verleiten.
Gerade für solche Fälle ist das Gesetz aber nicht vorgesehen und fallen derartige Lebenskonstellationen nicht unter die Bestimmung des § 107 StGB.
Ob jedoch eine Absicht, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, vorgelegen hat, kann die Ermittlungsbehörde bzw. die Strafjustiz ohne nähere Informationen über den angeblichen Täter zumeist nicht beurteilen. Je nach Lage des Einzelfalls kann bei (angeblicher) Tatbegehungsgefahr sogar die Untersuchungshaft über den Drohenden verhängt werden.
Oft können drohende Strafverfahren und insbesondere eine Untersuchungshaft jedoch bereits im Anfangsstadium der polizeilichen Ermittlungen durch eine geschickte anwaltliche Verteidigungsstrategie vermieden werden. Im polizeilichen Verhör können häufig Missverständnisse aufgeklärt und die Strafverfolgungsbehörden überzeugt werden, dass vom mutmaßlichen Täter keinerlei Gefahr ausgeht und eben die wesentliche Absicht „jemanden in Furcht und Unruhe zu versetzen“ zum Tatzeitpunk nicht vorlag.
Generell empfehle ich meinen Mandanten, die Wichtigkeit des Ermittlungsverfahrens nicht zu unterschätzten und bereits frühzeitig einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Bei Beschuldigtenvernehmungen ist Schweigen zwar oft, aber nicht immer Gold.
In einem aktuellen Fall konnte ich meinem Mandanten die Untersuchungshaft ersparen und eine Anzeige auf freiem Fuß erreichen.
Ohne Absicht, keine Strafe: Unabsichtlich gefährlich gedroht.
Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt für Strafrecht
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