Analog zu den im § 33 StGB angeführten besonderen Erschwerungsgründen (siehe auch mein Blogbeitrag: Erschwerungsgründe bei der Strafbemessung), werden in der Bestimmung des § 34 StGB – ebenfalls lediglich demonstrativ (also exemplarisch) – vom Gesetzgeber die Strafmilderungsgründe aufgezählt. Diese besonderen Milderungsumstände sind neben den allgemeinen Strafzumessungskriterien (siehe § 32 StGB) heranzuziehen.
Das Gericht kann auch andere, gesetzlich nicht genannte Umstände bei der Strafbemessung als mildernd berücksichtigen. Allerdings haben diese Erwägungen mit den im Gesetz erläuterten Punkten gleichwertig zu sein (Die Gleichwertigkeit kann sich aus dem Gesinnungsunwert, dem Handlungsunwert oder dem Erfolgsunwert ergeben).
Bestimmte Umstände, die bereits vom Tatbestand erfasst sind, werden jedoch nicht zusätzlich als mildernd gewertet.
Besondere Milderungsgründe
Persönliche Eigenschaften des Täters (§ 34 Abs 1 Z 1 StGB):
Wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat zwar bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat, aber unter 21 Jahre alt war, wird das Alter desselben prinzipiell als Milderungsgrund herangezogen. Allerdings muss dieser Milderungsgrund nicht zwingend berücksichtigt werden. Ebenfalls wäre es als mildernd zu werten, wenn etwa die Erziehung des Täters vernachlässigt worden ist (EvBl 1977/144).
Ordentlicher Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB):
Ein wesentlicher – wenn aus Richterperspektive nicht sogar einer der wesentlichsten – Milderungsgrund ist der bisherige ordentliche Lebenswandel des Täters. Dann, wenn die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Täters in einem auffallenden Widerspruch steht, ist die gerichtliche Unbescholtenheit jedenfalls als Milderungsgrund zu werten.
Hierbei gilt es das Vorleben des Täters im Hinblick auf den Umgang, den Beruf und die Freizeit zu eruieren; das verfahrensgegenständliche Delikt hat, ebenso wie bereits getilgte Verurteilungen (§ 1 Abs 4 TilgG), über diese Beurteilung indes keinen Einfluss und bleibt auch die verwaltungsstrafrechtliche Delinquenz unberücksichtigt. Auch eine wiederholte Deliktsbegehung über einen längeren Zeitpunkt schließt diesen Milderungsgrund nicht automatisch aus (wobei eine Tatwiederholung jedoch als erschwerend ins Gewicht fällt).
Achtenswerte Beweggründe, falsch verstandenes Pflichtgefühl, Unterlassen und untergeordnete Tatbeteiligung (§ 34 Abs 1 Z 3 bis 6 StGB):
Achtenswerte Beweggründe für die Tat mindern die Schuld ebenso wie falsch verstandenes Pflichtgefühl. In Ausnahmefällen wird daher beispielsweise ein Handeln aus Furcht oder Gehorsam bei der Strafzumessung als mildernd zu werten sein.
Das Unrecht der Tat ist ebenfalls als geringer anzusehen, wenn der Taterfolg nicht durch aktives Tun, sondern durch Unterlassen herbeigeführt worden ist oder aber der Täter an der Tat nur in untergeordneter Weise beteiligt war (so etwa als Beitragstäter).
Unbesonnenheit, heftige Gemütsbewegung und verlockende Gelegenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 bis 9 StGB):
Die Unbesonnenheit des Täters sowie eine allgemein begreiflich heftige Gemütsbewegung kann bei Vorsatzdelikten (und nicht bei Fahrlässigkeitsdelikten) als Milderungsgrund herangezogen werden. Die Begehung einer Tat aufgrund einer verlockenden Gelegenheit wird indes nur dann mildernd berücksichtigt, wenn die Gelegenheit nicht aus der Berufssituation des Täters herrührt.
Notlage (§ 34 Abs 1 Z 10 StGB):
Bei einer Notlage muss es sich um eine Lebenssituation handeln, die objektiv (er-)drückend ist. Keine Notlage stellen beispielsweise die Arbeitslosigkeit oder Sorgepflichten für Familienangehörige dar. Derartige Umstände müssen allerdings bei der Auslotung der Höhe einer allfälligen Geldstrafe berücksichtigt werden.
Verminderte Zurechnungsfähigkeit, vorwerfbarer Rechtsirrtum und Versuch (§ 34 Abs 1 Z 11 bis 13 StGB):
Die verminderte Zurechnungsfähigkeit kann ebenso wie die verminderte Schuldfähigkeit des Täters zum Tatzeitpunkt – sofern diese im Grenzbereich zur Zurechnungsfähigkeit anzusiedeln ist – einen, wenn auch selten herangezogenen, Milderungsgrund darstellen. Auch ein grundsätzlich vorwerfbarer Rechtsirrtum kann sich mildernd auf die Strafbemessung auswirken. In Sachverhaltskonstellationen, in denen trotz Vollendung der Tat kein Schaden entstanden ist oder die Tat nicht über das Versuchsstadium hinausgekommen ist, wird ebenfalls ein strafmildernder Umstand angenommen.
Schadensgutmachung (§ 34 Abs 1 Z 14 und 15 StGB):
Ein in der Praxis häufiger Milderungsgrund stellt die Schadensgutmachung dar, wobei es unerheblich ist, von wem der Schaden behoben wird (etwa von Familienangehörigen oder einer Haftpflichtversicherungsgeberin). Sogar ernstliche Bemühungen der Schadensgutmachung sind ausreichend, um diesen Milderungsgrund heranziehen zu können.
Geständnis und wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 16 und 17 StGB):
Ein Geständnis stellt jedoch nur dann einen Milderungsgrund dar, wenn es entweder reumütig erfolgte oder es wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Somit ist auch ein reines Tatsachengeständnis (ohne Reue) als strafmildernd zu werten, wenn es die Wahrheitsfindung erleichtert. Ein Geständnis, welches die Aufklärung im Vorverfahren erheblich erleichtert hat und in der Folge in der aber Hauptverhandlung widerrufen wird, ist ebenfalls als mildernd zu werten (SSt 57/47).
Langes Zurückliegen der Tat und Selbstschädigung (§ 34 Abs 1 Z 18 und 19):
Wenn die Tat schon längere Zeit zurückliegt, ist dieser Faktor grundsätzlich ebenfalls als mildernd zu werten. Ein derartiger Milderungsgrund liegt allerdings nicht vor, wenn der Täter etwa nur aufgrund seiner Flucht ins Ausland nicht verfolgt werden konnte.
Als mildernd zu berücksichtigen ist auch, wenn der Täter oder eine ihm nahestehende Person durch die Tat eine beträchtliche Körperverletzung, eine Gesundheitsschädigung oder sonstige tatsächliche oder rechtliche Nachteile erlitten hat.
Überlange Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB):
Ein Milderungsgrund liegt ebenfalls vor, wenn das gegen den Täter geführte gerichtliche Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange dauert. Die ist etwa auch der Fall, wenn die schriftliche Ausfertigung des Urteils anstatt innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von vier Wochen länger dauert; diese Verzögerung muss auf Versäumnisse staatlicher Organe zurückzuführen sein.
Alkoholisierung (§ 35 StGB):
Wenn der Blutalkoholwert unter dem Grenzwert von ca. 2,5 Promille liegt, wurde die Tat in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand begangen. In einem derartigen Zustand hat der Täter jedoch ein geringeres Maß an Hemmungen zu überwinden, weshalb hier in der Regel von einem Milderungsgrund ausgegangen werden kann.
Wenn es dem Täter allerdings bewusst sein hätte müssen, dass er im alkoholisierten Zustand zu bestimmten Delikten neigt, kommt dieser Milderungsgrund nicht zu Tragen. In diesen Fällen wäre die Alkoholisierung sogar als erschwerend zu werten (ÖJZ-LSK 1999/36). Die grundsätzliche Feststellung eines Rauschzustandes führt daher nicht automatisch zu einem Milderungsgrund.
Als Beschuldigter in einem Strafverfahren spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. In Lebenskonstellationen, in denen aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse die Leugnung der Tat keine sinnvolle Verteidigungsstrategie darstellt, sind die Milderungsgründe zur Erreichung eines zufriedenstellenden Ergebnisses für den Mandanten essentiell. Diese bedürfen aber teilweise (so etwa die Schadenswiedergutmachung) einer gewissen Koordination und Vorarbeit, welche zum Zeitpunkt der Verhandlung bestenfalls abgeschlossen sind. Auch aus diesen Erwägungen empfiehlt es sich, frühzeitig einen Wahlverteidiger mit dem Schwerpunkt Strafrecht zu beauftragen.
Mag. Robert Rieger, Strafverteidiger und Rechtsanwalt in Wels
weiterführende Links:
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