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Zivilrecht: Nichtigkeit des Vertrages wegen Wucher

Vertrag anfechten Wucher

§ 879 ABGB: Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Insbesondere sind folgende Verträge nichtig: wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren lässt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem Missverhältnisse steht.

Wer Verträge abschließt, muss sich grundsätzlich daran halten (Grundsatz: „pacta sunt servanda“; Verträge sind einzuhalten). Nur im Ausnahmefall kann ein Vertrag angefochten werden, wobei die häufigsten Anfechtungsgründe „Irrtum“, „List“ und „Drohung“ sind.

Es gibt jedoch auch Verträge, deren Zustandekommen der Gesetzgeber auch ohne die Einräumung eines Anfechtungsrechtes nicht duldet und die von Vornherein nichtig sind. Das österreichische Recht duldet derartige Verträge nicht.

So wird etwa ein Vertrag, der mit Wucher behaftet ist, als „relativ“ nichtig angesehen. Das bedeutet, dass die Nichtigkeit nicht „automatisch“, also „ex lege“, vorliegt sondern die Nichtigkeit des Vertrages gerichtlich geltend gemacht werden muss (etwa mit einer Rechtsgestaltungsklage). Da die Nichtigkeit nur die bewucherte Vertragspartei schützt, kann sich nur dieser auf die Nichtigkeit berufen.

Um die Nichtigkeit eines Vertrages erfolgreich gerichtlich geltend zu machen müssen gem. § 879 Abs 2 Z 4 ABGB mehrere Voraussetzungen vorliegen:

Als erste Erfordernis muss eine Äquivalenzstörung vorliegen, also ein auffallendes Wertmissverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Dieses Wertmissverhältnis muss auffallend grob sein. Ab wann die Äquivalenzstörung als auffallend grob zu bewerten ist, ist im Einzelfall zu beurteilen. Hier kommt es auch auf die Schwere der Willensbildungsstörung an (siehe unten). Je schwerer die Willensbildungsstörung, umso kleiner darf das Wertmissverhältnis sein.

Weiters muss eine Störung in der Willensbildung vorliegen. Der Bewucherte muss aus einem im § 879 Abs 2 Z 4 angeführten Gründen daran gehindert gewesen sein, seine Entscheidungsbefugnis aus eigener Macht zu wahren.

  • Leichtsinn: Dem Bewucherten sind zwar die Folgen seiner Handlungsweise bewusst, er bemisst sie aber aus Sorglosigkeit oder mangelnder Überlegung falsch.
  • Geschäftliche Unerfahrenheit: Liegt vor, wenn der Vertragspartner mangels Lebenserfahrung oder allgemeiner Geschäftskenntnisse verhindert ist, seine Interessen beim Geschäftsabschluss zu wahren.
  • Zwangslage: Ist gegeben, wenn der Bewucherte nur die Wahl zwischen dem ungünstigen Vertrag oder einen noch größeren Nachteil gehabt hat. Die Zwangslage muss nicht zwingend den Bewucherten selbst betreffen, es reicht auch, wenn sie sich gegen einen ihm nahestehende Person richtet. Die Zwangslage muss auch nicht vom Bewuchernden herbeigeführt worden sein; es genügt, wenn eine selbstverschuldete Zwangslage des Bewucherten ausgenützt wird.
  • Verstandesschwäche: Es müssen mangelnde geistige Fähigkeiten vorliegen, die den Bewucherten daran hindern, die Äquivalenz aus Eigenem zu wahren. Die Störung darf aber nicht soweit gehen, dass eine Geschäftsunfähigkeit vorliegt. Die Verstandesschwäche schließt die Lücke zwischen voller Geschäftsunfähigkeit und voller Geschäftsfähigkeit.
  • Gemütsaufregung: Liegt ein vorübergehender psychischer Zustand vor, der das ruhige Sondieren einer Situation hindert, so kann auch aus diesem Grund eine Willensbildungsstörung argumentiert werden.

Die dritte Voraussetzung ist das Ausbeuten der Lage des Bewucherten. Der Bewuchernde muss die Situation zwar nicht herbeigeführt haben, er muss sie aber vorsätzlich oder fahrlässig ausgenützt haben. Es reicht also aus, wenn der Bewuchernde die Lage des Bewucherten kannte oder hätte erkennen müssen.

Liegen alle drei Voraussetzungen (1. Äquivalenzstörung, 2. Störung in der Willensbildung und 3. Ausbeutung der Lage des Bewucherten) vor, kann der Vertrag gerichtlich für nichtig erklärt werden. Oft wird diese Möglichkeit von Mandanten „übersehen“ oder es ist diese Möglichkeit ihnen auch meistens unbekannt. Unsere Kanzlei gelang es bereits in mehreren Verfahren, die Nichtigkeit eines Vertrages zu beweisen.

Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt für Zivilrecht

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